<strong>Evgeniy Belov
Keiner hat größeren Verdienste um die Erfolge der Wasserballer des SV Aegir Arnsberg im letzten Jahrzehnt als er.
Evgeniy Belov kam im Dezember 2002 als Asylbewerber aus Usbekistan nach Deutschland, um seine furchtbare persönliche Situation im Heimatland hinter sich zu lassen. Er war in seiner Heimat diplomierter Fernmeldetechniker gewesen, was ihm in Deutschland zunächst indes leider nur wenig weiterhalf. Es dauerte einige Jahre bis er sich hier zum IT-Spezialisten ausbilden ließ und sodann als Software-Entwickler beruflich eine gute Karriere einschlug.
Dass der heute 39-jährige Evgeniy Belov, der mittlerweile auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hat, damals ausgerechnet nach Arnsberg kam, war für den SV Aegir ein Segen.
Er freute sich natürlich auch, dass er ausgerechnet in die einzige Stadt im Sauerland kam, in der auch Wasserball gespeilt wurde. Im Februar 2003 stieß er erstmals zur Mannschaft. Er hatte es sich aber bestimmt anders vorgestellt...
Hatte er in Usbekistan von 1993 bis 1999 noch in der Nationalmannschaft gespielt, Australien und die Welt für internationale Turniere bereist (2. Platz bei den Asienspielen 1998 in Thailand (!)), ging es hier in die Kreisklasse und er musste sich mit Mitspielern rumschlagen, die nun nicht gerade zu den Filigrantechnikern und Topschwimmern der Branche gehörten...
Er war natürlich gleich mit Riesenabstand der herausragende Spieler der Mannschaft.
Kaum einer beim SV Aegir glaubte, dass man Belov, der mit 12 Jahren mit dem Wasserball angefangen hatte, auf diesem Niveau lange würde halten können. Und tatsächlich wurden bei den Spielen natürlich auch die Verantwortlichen der anderen, deutlich besseren Wasserballmannschaften aus dem Ruhrgebiet auf ihn aufmerksam. Und es gab so manches unmoralisches Angebot, das man dann, wenn der sportliche Ehrgeiz im Vordergrund gestanden hätte, niemals hätte ausschlagen können.
Aber Evgeniy Belov tickt anders, für ihn sind andere Werte wichtiger. Er war in den Verein und die Mannschaft hineingewachsen, hatte sich mit vielen seiner Mitspieler angefreundet und diese halfen ihm, hier in Deutschland Fuß zu fassen, den ganzen Behördenkram zu erledigen und überhaupt sich so wohl wie möglich zu fühlen. Nicht, dass es schwer gewesen wäre, ihn zu integrieren, denn sein Ehrgeiz, Deutsch zu lernen und seine diesbezüglichen Erfolge waren beispiellos. Und er hat – trotz seiner überragenden Wasserballfähigkeiten wirklich nicht ein einziges Mal den „Star“ raushängen lassen, sondern sich ausnahmslos als bescheiden, fröhlich und freundlich präsentiert.
Und weil Evgeniy darüber hinaus ein grundanständiger, loyaler und herzlicher Mensch ist, wusste er die Freundschaft der anderen zu schätzen und schrieb sich auf die Fahne, zurückzugeben, was er zurückgeben konnte. Und so blieb er all die Jahre dem Verein treu, obwohl er bestimmt gerne auch mal mit gleich guten Spielern um höhere sportliche Weihen gekämpft hätte. Zumal er nach einigen Jahren nach Castrop-Rauxel zog, also in die Nähe der Top-Vereine des Bezirks. Die Fahrt nach Arnsberg hingegen war lang und teuer.
Aber für ihn war es genug, das was er konnte und wusste –so gut es bei diesem Spielermaterial möglich war – an seine Freunde weiterzugeben. Er übernahm nach einiger Zeit das Training. Und er war natürlich stets der Mittelpunkt des Arnsberger Spiels. Aber anders als zu einem früheren Zeitpunkt, als schon mal für ein Jahr ein ehemaliger Bundesligaspieler kurzzeitig für Arnsberg spielte, ging es mit Belov nie um einen Einzelnen. Belov verlangte nicht immer den Ball, um selbst das Spiel alleine zum Abschluss zu bringen, sondern ihm ging es immer darum, die anderen mit einzubinden, ihnen Vorlagen zu geben und jedenfalls zu zeigen, was sie anders und besser machen könnten. Und auch wenn aufgrund der nur sehr, sehr geringen Trainingszeit niemand sich seine Technik aneignen und kopieren konnte, hat wirklich ausnahmslos jeder in der Mannschaft enorm viel von ihm gelernt. Einiges, was man sich abgeschaut hat, anderes, was er erklärt hat. Das Spiel der Arnsberger verbesserte sich maßgeblich.
Und damit kam natürlich auch der Erfolg. Erstmals wurde nicht nur gelegentlich ein Spiel gewonnen, sondern Erfolge gab es nun regelmäßig und jedenfalls gab es kaum noch die früher ständig erlittenen dicken Klatschen. Die Mannschaft verkaufte mit ihm ihre Haut stets teuer und war auch bei Niederlagen sehr häufig ein ebenbürtiger Gegner, was früher nur selten der Fall gewesen war. Die gegnerischen Mannschaften hatten enormen Respekt vor ihm und alle Hände voll zu tun, ihn in den Griff zu bekommen. Das konnten die Arnsberger häufig ausnutzen.
Belovs Torquote für Arnsberg war über alle Jahre sagenhaft. Aber viel entscheidender war die genauso große Zahl an Assists.
Nach einigen Jahren stetiger Verbesserung schaffte es Arnsberg dann mit ihm sogar sensationell, in die Bezirksliga aufzusteigen. Der Kader war zu dieser Zeit groß genug, um dann sogar zwei Mannschaften zu melden und Arnsberg hielt sich drei Jahre lang in der Bezirksliga (auch wenn das Team sportlich in einem Jahr eigentlich abgestiegen wäre) und nach dem dann erlittenen Abstieg gelang im Jahr darauf tatsächlich nochmals der Wiederaufstieg, so dass Arnsberg insgesamt 4 Jahre lang höherklassig spielen konnte. Viel wichtiger war aber, dass Arnsberg 2012 tatsächlich überraschend Kreisklassenmeister wurde. Und es steht völlig außer Frage, dass das letztlich in erster Linie Belov zu verdanken war.
Außerdem ließ sich Evgeniy Belov in dieser Zeit zum Schiedsrichter ausbilden und erwarb insoweit sehr schnell bezirksweit großes Ansehen. Das führte dazu, dass er im nächsten Jahr möglicherweise sogar in der Bundesliga pfeifen darf, was einem Arnsberger bis dahin auch noch nie gelungen war.
Arnsberg erlebte im Wasserball sportlich seit 2003 eine Blütezeit. Der Verein weiß, wem er das zu verdanken hat und wird es nicht vergessen.
Und Evgeniy wäre nicht Evgeniy, wenn seine Loyalität ihn nicht sogar auch in Zukunft noch an den Verein binden würde. So hat er schon angekündigt, die von ihm aufgebaute Homepage auch weiterhin pflegen und betreiben zu wollen.
Mit seinem Weggang nach Baden-Württemberg verliert somit der SV Aegir Arnsberg nicht nur das Herz der Mannschaft, sondern darüber hinaus müssen viele Spieler den Weggang eines Freundes verarbeiten, auch wenn das natürlich nicht zu einem Ende der Freundschaft und des Kontaktes führen wird. Aber er wird dem Wasserball dann fehlen und er hinterlässt eine Lücke. Teamkollege Christoph Löher, gleichzeitig erster Vorsitzender des Vereins, bezeichnet Evgeniy Belov sogar liebevoll als seinen „kleinen Bruder“. Er war auch Trauzeuge, als Belov seine Frau, mit der er nun zwei Kinder hat, im Standesamt in Arnsberg heiratete.
Trotz des Weggangs ist der bisherige Wasserballwart Richard Ademmer überzeugt, dass die gute Entwicklung der Ansberger Wasserballer weitergehen wird. Mit Niels Oeschler und Karsten Kuhn bekam Arnsberg im letzten Jahr zwei Neuzugänge, die der Mannschaft helfen werden, auch in der Zukunft eine ordentliche Rolle in der Kreisklasse zu spielen, auch wenn die Mannschaft sich wird umstellen müssen. Aber das wird ihr mit der derzeitigen, relativ jungen und hoch motivierten Truppe sicher gelingen.
Es ist wahrscheinlich wie so oft im Leben. Eine Symbiose. Evgeniy Belov verdankt den Wasserballern des SV Aegir viel und die Wasserballer verdanken Evgeniy Belov viel. Und keiner von beiden wird es vergessen. Die Mannschaft wünscht ihm für die Zukunft wirklich nur das Beste und dass es ihm gelingt, in der Nähe seines neuen Wohnortes eine Mannschaft zu finden, die ihn ähnlich schätzt wie der SV Aegir und die vielleicht sogar ein kleines bisschen besser Wasserball spielt... J.
Alle News (Archiv)